Gut zwanzig Interessierte genossen spannenden Abend im Museum
Weikersheim. Das Ziel des Tauberländer Dorfmuseums hat schon Gründer Kurt Meider klar definiert: Es will und soll nicht nur nostalgisch Erinnerung an die Vergangenheit lebendig halten, sondern auch das Wissen der Vorfahren in die Gegenwart transportieren.
Ein paar schriftliche Notizen genügen da oft nicht. Gerade bei den alten Gerätschaften, mit denen noch vor wenigen Generationen die Felder und Weingärten bearbeitet wurden, stehen Besucher oft ratlos vor den Stücken, selbst wenn Fotos oder Zeichnungen die Präsentation ergänzen. So richtig lebendig werden die Dinge erst, wenn Praktiker den Gebrauch anschaulich erklären. In der vergangenen Woche hatte das Museumsteam das Gärtnerpaar Melanie Appel und Lutz Neuendorf vom Hof Louisgarde ins Dorfmuseum eingeladen.
In ihrem Demeter-Betrieb setzen sie auf altbewährte Methoden, sind etwa bei der Aussaat oft noch zu Fuß unterwegs, streuen das Saatgut von Hand aus. Warum? Lutz Neundorf, ausgebildeter Zierpflanzengärtner, der sich früh auf den biodynamischen Gemüseanbau spezialisierte, betreut seit rund dreieinhalb Jahrzehnten die Louisgarde-Gärten. Ihm ist es wichtig, den Boden noch Meter für Meter genau zu kennen.
„Heute geht kaum noch ein Fuß über den Acker“, berichtet er. Noch bis vor ein paar Jahrzehnten hätten die Bauern wenigstens sonntags ihre Felder abgeschritten. Heute sähen Landwirte ihre Böden meist nur noch von oben, oft genug aus klimatisierten Führerständen schwerer Zugmaschinen die die Böden verdichten.
Sie sehen nicht mehr, was frühere Bauerngenerationen sahen, berichtet Neuendorf. Wer hinterm von Ochsen oder Pferden gezogenen Pflug über den Acker ging, sah, hörte und roch, was sich im Boden tat. Wenn die eine Pflugschar den Boden umbrach, war für den Landwirt früherer Zeiten unmittelbar klar, was dem Boden fehlen oder was im Übermaß vorhanden sein könnte. Sie brauchten keine Messgeräte, um zu wissen, wie es um Durchfeuchtung, Durchwurzelung, Bodengetier und die Bodenbelüftung bestellt war: Jeder Schritt, jeder Atemzug, jedes Geräusch gab Auskunft.
Genau passend zum Boden konnte auf nicht allzu tief umgebrochener Erde die Saat ausgebracht werden. Zu tief zu pflügen, zerstöre das Kapillargeflecht, über das die wachsende Saat neben Wasser auch Nahrung aufnehmen könne.
Gut zwanzig Gäste der Spezialführung umringen den alten Einscharpflug, an dem Museumsbesucher sonst oft ohne zweiten Blick vorbeigehen.
Ganz anders sei auch das Erleben der Arbeit, ergänzt Melanie Appel. Die Veranstaltungskauffrau wuchs auf einem kleinen Hof bei Ansbach auf. Vor rund einem Jahrzehnt stieg sie in den Gärtnereibetrieb ein. Nach zwei Stunden Maschinenarbeit sei man „dumpf und leer“, nach zwei Stunden Handarbeit vielleicht müde, aber nicht erschöpft.
Sie wollen behutsam mit dem Boden umgehen, der Frucht trägt: „Wir verdichten ihn nicht unnötig, fördern seine Lebendigkeit,“ berichtet die Louisgarde-Gärtnerin. Die uralte Mausefalle, die den Verein Tauberländer Volkskultur e.V., der das Museum ehrenamtlich betreibt, lange vor Rätsel stellte, macht neugierig. Schädlingsbekämpfung? Für das Demeter-Team gehören „Schädlinge“ einfach dazu: „Wir dringen in ihren Lebensbereich ein – und wir wissen doch gar nicht, was passiert, wenn wir sie vertreiben“, mahnt Melanie Appel und erinnert an die fatalen Auswirkungen von Maos Massenkampagne der „Ausrottung der vier Plagen“.
Um den „Großen Sprung“ zu ermöglichen, zog China ab 1958 energisch unter anderem gegen Ratten und Spatzen zu Felde. Die Folge der fast kompletten Sperlings-Ausrottung war eine Moskito- und Heuschreckenplage und daraus resultierend eine Hungersnot, die zum Abbruch des Experiments zwang… Natürlich schmerze es dennoch, wenn wie jüngst Füchse die Laufgänse holen, die den Schnecken Einhalt gebieten. Aber: „Auch Füchse haben das Recht zu leben.“
Für die Demeter-Gärtnerei ist der Boden das entscheidende Kapital: Alle paar Jahre gönnen sie den Beeten und den Bodentieren Erholung unter einer Mischsaat aus Klee, Stickstoff bindender Luzerne und Wildblumen, die nur ganz leicht angewalzt wird. Das fitzelfeine, kaum mehr als sandkorngroße Saatgut wandert von Hand zu Hand. Gut nachvollziehbar, dass Maschinen dafür zu schwer wären, wie die Demeter-Gärtner bei der auf einem Rad laufenden alten Saatstreuer erläutern.
Neben der Direktvermarktung und dem Vertrieb der vielfältigen Erzeugnisse über Partnerbetriebe stellt seit dem Frühjahr 2021 die „solidarische Landwirtschaft“ – kurz SoLawi – ein weiteres Standbein des Demeter-Betriebs dar. Aktuell gut 60 Mitglieder finanzieren dabei die gärtnerische Arbeit des Betriebs. Mit monatlich 75 Euro leisten die auch „Ernteteiler*innen“ genannten SoLawi-Mitglieder einen Beitrag zu einer zumindest teilweisen finanziellen Absicherung des Betriebes auch über die kargeren Wintermonate. Im Gegenzug erhalten sie über Verteilstellen regelmäßig Obst und Gemüse frisch von den Louisgarde-Feldern und aus den ebenfalls auf Bio spezialisierten regionalen Partnerbetriebem. Die Louisgarte-SoLawi-Mitglieder treffen sich mehrmals pro Jahr und helfen auch schon mal bei der Ernte: Erzeuger und Verbraucher rücken näher zusammen. In der laufenden Beerenzeit sind Helfer besonders willkommen – und an den Wochenenden stehen auch schon mal selbst gebackene Beerenkuchen parat.
Infos zur Gärtnerei, SoLawi, Besuchs- und Mitmach-Möglichkeiten gibt’s auf der Homepage
www.gaertnerei-louisgarde.de