Besuchen Sie die “Kinderwelt” von anno dazumal!
Noch bis Ende Oktober 2017
Geöffnet: Samstag und Sonntag jeweils von 13 bis 17 Uhr.
Im Rahmen der Ausstellung statt gefundene Aktionen:
“Hausmusik im Dorfmuseum” am 16. Juli 2017 mit der Musikschule Hohenlohe
“Spielen, Stöbern, Staunen” – Ein Nachmittag im Rahmen des Kinderferienprogramms der Stadt Weikersheim am 29. August 2017
Prolog
Neil Postman, ein renommierter Gesellschaftskritiker stellte angesichts der abzusehenden Entwicklung der Medien bereits in den 80iger Jahren die provokante Frage, ob die Kindheit verloren gehe. So drängt es sich wegen den zwischenzeitlich erfolgten Veränderungen gerade zu auf, dieser Frage noch einmal nachzugehen. Wie war das, vor 50 oder 100 Jahren? Gab es jene Idylle, an die wir uns heute manchmal erinnern? Oder verklärt die Vergangenheit den Blick auf die Realität? Was war anders? Was das bestimmende jener Zeit?
Die Ausstellung „Kinderwelten“ versucht mit ausgesuchten Exponaten den Kosmos der Kinder in den ersten 14 Lebensjahren darzustellen. Die Besucher werden auf eine Zeitreise mitgenommen – in eine Epoche der 20iger bis 70iger Jahre. Und in einen Lebensabschnitt, wo das Erwachsenenleben noch ganz ferne Zukunft war.
Kindheit auf dem Land unterschied sich gravierend von jener in der Stadt. Auf dem Hof bestimmte die Natur den natürlichen Jahreskreislauf; Ackerbau, Viehwirtschaft und Selbstversorgung nahmen die ganze Familie in die Pflicht. Der soziale Raum war die Familie, die Kirchengemeinde, das Dorf. Plätze, in denen Kinder ohne Aufhebens aufwuchsen und erzogen wurden. Kinder waren allgegenwärtig, ihre Ansprüche nicht anders als die der Erwachsenen. Und sie verfügten nicht über den besonderen Status wie er heute dem Nachwuchs zugebilligt wird. Die alles umfassende Fürsorge galt höchstens für die Kleinkinderjahre.
Schule auf dem Land bedeutete 4,6 oder 8 Jahrgangsklassen in einem Raum – ein Standard, der vorbildliches Vermitteln umfassenden Wissens nicht vorsah. In deren Klassenräumen es nach Kreide, nassen Schwamm und schlecht gelüfteten Klosetts roch. Sitzgarnituren mit Tintenfass und Griffel-Ablage, Landkarte und Lehrtafeln der ersten lateinischen Buchstaben stellten markantes Interieur jeder Dorfschule dar. Die von Schülern weiter entfernter Einödhöfe erst nach langen und abenteuerlichen Schulwegen zu Fuß erreicht wurde.
Schulen der Kleinstadt waren Jahrgangs weise zusammen gefasst, aber häufig nach Konfession oder Geschlecht getrennt. Lehrer gehörten – wie der Pfarrer– zu den Respektspersonen, die häufig nach der Schulzeit im Sinne der autoritären Normen „erzieherisch tätig“ waren. Eltern besonders begabter Schüler wurde nahegelegt, den Kindern eine höhere Schulbildung zukommen zu lassen. Nicht selten wurde dies abgelehnt, weil ein Hoferbe gebraucht wurde oder schlichtweg das Schulgeld oder die Lernmittel nicht aufgebracht werden konnten.
Schulfreie Zeit war den Hausaufgaben und Spielen gewidmet – es sei denn man stammte aus einem Hof. Hier wurden Kinder entsprechend ihres Alters als wertvolle Arbeitskräfte – vor allem zu Erntezeiten – betrachtet. Von frühester Kindheit trug man ihnen Aufgaben an. Für das Spielen mit Nachbarskindern blieb da oft nicht viel Zeit.
Gespielt wurde zu allen Jahreszeiten im Freien, Spielsachen vielfach selbst hergestellt. Kreisel, Ball, Murmeln („Schusser“) waren weit verbreitet und Seil- und Hüpfspiele, Versteck- und Fangspiele beherrschte jedes Kind. Improvisation verhalf zu Drachen, Flössen oder halsbrecherischen Stelzen. Einzig der Schlitten und ein Paar Schlittschuhe zum Anschrauben und später Dreirad und Kinderfahrrad stellten eine größere Anschaffung dar, die in den oft kinderreichen Familien an die Geschwister weitergegeben wurden.
Geld – auch Taschengeld – war knapp und nur durch Boten- Sammel- oder Hilfsarbeiten zu erlangen. Ob Kartoffelkäfer, Kastanien oder Schrott: Hauptsache es besserte mit ein paar Pfennig den Etat auf. So war der Kolonialwarenladen oder der nächste Bonbon- oder Kaugummiautomat oft das Ziel des Begehrens.
Konfessionen prägten die Gesellschaft bis in die 70iger Jahre. Deren Gegensätze waren jedem Kind – meist in Form von wenig schmeichelhaften Sprichwörtern – allseits bekannt. Den Freundschaften auf dem Dorf oder in der Straße taten sie jedoch keinen Abbruch.
Der Kirchgang war obligatorisch – ebenso wie der Kindergottesdienst. Die Konfirmation markierte den Eintritt in das Erwachsenenalter. Auf sie oder die Erste Heilige Kommunion bereitete man sich gewissenhaft vor. Solche Feste wurden im Familienkreis entsprechend gefeiert. Bei der Taufe übernommene Patenschaften gaben der Kindheit soziale Sicherheit. War es doch der Pate oder die Patin, welche in Unglücken den wirtschaftlichen Rückhalt und die Chance zur Ausbildung in einem Beruf sicherstellen konnten.
Erziehung und Fürsorge folgte überlieferten Vorstellungen und entsprach den gesellschaftlichen Normen der Zeit. Rohrstock und Backpfeife waren allen Kindern bekannt; die Autorität der Eltern und anderer Respektspersonen kaum angetastet. Im Mittelpunkt des Alltages stand die Existenzerhaltung mit ihren täglichen Bedürfnissen an Essen, Kleidung und Wärme. Dieses Mühen und Streben ließ keinen großen Raum für eine ständige Zuwendung. Großeltern waren deshalb oft die Anlaufstelle für Hinwendung, Trost und Schutz. Ihnen fiel deshalb eine wichtige Aufgabe zum Persönlichkeits-Werden zu. Besonders in den wirtschaftlich schlechten Jahren zwischen den beiden großen Kriegen erfüllten Omas und Opas einen entscheidenden Beitrag für die Erziehung und Bildung.
Kinder wurden sehr früh in die Pflicht genommen. Ob bei der Heuernte, beim Kartoffel-Lesen oder bei der Beerenernte: immer waren die kleinen Helfer willkommen. Selbst die Dorfgemeinschaft griff auf die Kleinen zurück: Sammelaktionen für Kartoffelkäfer lösten sich ab mit Sammelkampagnen von Bucheckern, Kastanien oder wertvollem Altmaterial. Aufsicht übten dabei meist die älteren Geschwister.
In der Nazizeit von 1933-1945 galt den Kindern ein besonderer Augenmerk. Die Kindheit in der Familie endete mit dem zehnten Lebensjahr. Fortan hatte das Regime den Zugriff. Waren die Aufmärsche, Versammlungen und Musikveranstaltungen anfangs noch willkommene Abwechslung für die Kinder, so wurde es bald ernst. Die Hitler-Jugend mit ihrer vormilitärischen Ausbildung und autoritären Struktur sollte die Kinder formen für den faschistischen Führerstaat. Für viele Kinder folgte dann die vaterlose Zeit – Familienväter mussten an die Front von der sie jahrelang oder nie mehr zurückkehrten. Es folgten Erlebnisse traumatischer Art, welche bis heute belasten.
Lange Zeit folgten die Kinder im Spiel den von Erwachsenen kaum in Frage gestellten Rollen der Geschlechter:
- Vater arbeitet und ernährt die Familie
- Mutter sorgt für den Haushalt und erzieht die Kinder
Das bedeutete: Puppen, Kinderwagen und Kaufladen für die Mädchen – Autos und (meist billige) Blecheisenbahn für die Buben.
Der allgemeine Mangel an Geld und das Fehlen öffentlicher Spielplätze beflügelte Phantasie, Kreativität und Improvisationstalent. Aufsicht über die Kinder? Begrenzte sich häufig auf die Anweisung, auf sich gegenseitig aufzupassen und zum Abend-Geläut oder Einbruch der Dunkelheit wieder zu hause zu sein. Es waren Jahre der Freiheit. Dinge zu tun – die wenn auch verboten – doch nicht jenem heutigen Gesellschaftssystem mit ständiger Androhung von Sanktionen und Regress unterlagen. Streit, Verstöße und Schäden wurden meist untereinander und mit gegenseitiger elterlicher Nachsicht geregelt. Was eine Tracht Prügel jedoch nicht unbedingt ausschloss.
Mit dieser Epochen-Beschreibung darf ich Sie in die Ausstellung entlassen. Zuvor möchte sich der Verein jedoch bei Johanna Wilckens und bei Renate Gröner ganz herzlich bedanken: sie hatten die Idee, viele der ausgestellten Exponate und letztlich den Fleiß, alles gefällig zu repräsentieren. Bedanken möchten wir uns auch bei Roland Kroneisen, ohne dessen Fundus eine historische Ausstellung in Weikersheim schlechthin nicht möglich ist.
Gehen Sie mit uns auf die Zeitreise! Gute Unterhaltung!
Helmut Fehler
Veranstaltungsbilder
- Musikschule Hohenlohe
- Musikschule Hohenlohe
- Kinderferienprogramm Weikersheim
- Kinderferienprogramm Weikersheim
- Tauberländer Dorfmuseum Weikersheim
- Tauberländer Dorfmuseum Weikersheim